Urteil nach anderthalb Jahren KiBiz: Mangelhaft

Veröffentlicht am 16.02.2010 in Familie und Jugend

Eigentlich sollte in den Kindergärten alles besser werden, als die schwarz-gelbe Landesregierung das Kinderbildungsgesetz (KiBiz) einführte. Die Realität sieht ganz anders aus, wie sich auch bei der Teilbelegschaftsversammlung der AWO EN am 9. Februar ergab. Rund 130 Erzieherinnen und Erzieher verglichen gemeinsam mit den drei Landtagsabgeordneten für den EN-Kreis, Thomas Stotko, Rainer Bovermann und Hubertus Kramer (alle SPD), die „zahlreichen wohlfeilen Wünsche“ des Gesetzes mit dem Alltag in den Betreuungseinrichtungen. Ihr Gesamturteil: Mangelhaft.

Unter Applaus ihrer Kolleginnen und Kollegen aus den 20 AWO-Betreuungs-einrichtungen hatte AWO-Bereichsleiterin Ulla Wacker die Situation in der Betreuung skizziert. Vor allem von früher Bildung, ein Ziel des KiBiz, könne in den Einrichtungen nur schwer die Rede sein. Nach allen wissenschaftlichen Erkenntnissen müsse eine Erzieherin für vier Kinder zuständig sein. „In Nordrhein-Westfalen ist das Verhältnis ein zu 12,5“, rechnete Wacker vor: „Damit sind wir das Schlusslicht in Europa.“ Ulla Wacker kritisierte auch den „bürokratischen Aufwand, der durch nichts zu rechtfertigen ist“.

Der Vorsitzender der Landtags-Kommission „Chancen für Kinder“ forderte ein „echtes Kinderbildungsgesetz”. 243 Millionen Euro seien nötig, um die Forderungen der SPD zur Frühförderung zu erfüllen: Erhöhung der Kopfpauschale, kostenloses letztes Kindergartenjahr, Aufstockung der Gehälter und verstärkte Qualifizierung der Erzieher. „Ein Klacks”, so Bovermann, denn „allein das Wachstumsbeschleunigungsgesetz verschlingt ein Vielfaches dieser Summe”.

Die Leiterin des AWO-Familienzentrums Zamenhofweg in Schwelm, Ramona Coswig, rechnete vor, dass in ihrer Einrichtung durch das KiBiz 44 Betreuungsstunden pro Woche und eine Stelle für eine Jahrespraktikantin weggefallen sind: „Wir sind die Verlierer.“ Sie sprach „allen Kolleginnen und Kollegen, die in den Gruppen trotzdem eine sehr gute Arbeit leisten“, ihre Hochachtung aus.

Bemängelt wurden auch die starren Termine des KiBiz: Eltern müssen sich immer für ein ganzes Jahr festlegen, obwohl im Sommer niemand wisse, ob er im Februar nicht völlig andere Betreuungszeiten braucht. Besonders deutlich werde das bei der Aufnahme von unter-Dreijährigen ausschließlich im August, sagte Ramona Coswig: „Die Eltern halten sich mit der Geburt ihrer Kinder einfach nicht an diesen Termin.“ So klaffe zwischen Elternzeit und Aufnahme in die Kindertageseinrichtung oft eine monatelange Lücke.

AWO-Geschäftsführer Jochen Winter erinnerte daran, dass die AWO EN schon vor Inkrafttreten des KiBiz mit einer großen Demonstration in Düsseldorf vor den negativen Folgen gewarnt hatte. Gemeinsam mit den SPD-Landtagsabgeordneten Rainer Bovermann, Hubertus Kramer und Thomas Stotko gab die AWO die landesweit beachtete Broschüre „KiBiz ist Mumpitz“ heraus. „Diese Befürchtungen haben sich alle bewahrheitet“, sagte Winter. Vor allem die Wünsche der Eltern habe die Landesregierung völlig falsch eingeschätzt. Geplant sei gewesen, dass je ein Viertel der Kinder mit 25 oder 45 Stunden pro Woche betreut wird, die andere Hälfte mit 35 Stunden. Aktuell wählten die Eltern zwar, wie geplant, zur Hälfte die 35-Stunden-Betreuung, aber weitere 45 Prozent wollen ihre Kinder für 45 Stunden in die Tagesstätte bringen, während nur vier Prozent die kürze Betreuung wählen. Winter hält auch die Art und die Höhe der Finanzierung durch das Land für völlig unzureichend: „Wir sind nicht gegen den Ausbau der Betreuung, aber die Städte sind damit überfordert.“

Positiv am KiBiz sei die Einführung der Familienzentren gewesen, sagte Winter: „Allerdings ist auch dieses Angebot völlig unterfinanziert.“

 

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