Deutschland hat gewählt, die Entscheidung über die Zusammensetzung des künftigen Bundestages ist gefallen. Erwartungsgemäß hat die Union aus CDU und CSU, trotz herber Verluste, die Wahl mit deutlichem Abstand vor der SPD gewonnen. Die SPD muss sich mit einem mehr als enttäuschenden Ergebnis auseinandersetzen. Trotz des Wiedereinzugs der FDP in den Deutschen Bundestag gibt es keine absolute Mehrheit für eine von vielen Konservativen erhoffte schwarz-gelbe Koalition. Die Grünen sind überraschend stabil geblieben. Das Abschneiden der AfD ist ernüchternd – es bleibt dabei, dass politische Kräfte, die auf Hass, Hetze und rassistische Entgleisungen als Instrumente der Propaganda und Mobilisierung setzen, im Deutschen Bundestag nichts zu suchen haben. Wir werden darauf politische Antworten zu finden haben.
Und die SPD? Die Sozialdemokraten hatten einen hervorragenden Kandidaten. Martin Schulz wird von politisch Interessierten in ganz Europa für seine Kompetenz und sein politisches und menschliches Format hoch geschätzt. In Deutschland ist es ihm nicht gelungen, eine Mehrheit der Wählerinnen und Wähler davon zu überzeugen, dass es eine realistische Alternative zu einer Bundeskanzlerin gibt, die nun wirklich alles dafür getan hat, das politische Profil ihrer Partei und ihrer eigenen Person bis zur Unkenntlichkeit zu verschleiern und zu verwischen.
Das ist umso erstaunlicher, als es der SPD in der nicht wirklich beliebten „GroKo“ gelungen ist, eine Reihe von Entscheidungen durchzusetzen, um die soziale, die ökologische und die ökonomische Modernisierung unseres Landes voranzubringen. Die SPD, ihre Abgeordneten im Bundestag und ihre Minister haben gute Arbeit geleistet. Dennoch haben sich offenbar weitere Wählerinnen und Wählern von der SPD abgewendet.
Wenn dies so ist, wenn die Menschen trotz guter Leistungen dieser SPD nicht mehr ausreichend Vertrauen schenken, dann sollte die SPD die richtige Konsequenz aus dieser Wählerentscheidung ziehen und nicht erneut in eine Große Koalition mit der Union eintreten. Dafür sehe ich mindestens drei wichtige Gründe:
1. Im neu gewählten Bundestag wäre eine stabile Mehrheit unter Beteiligung von CDU/CSU, FDP und Grünen möglich. Da eine Große Koalition immer nur gedacht war als eine Art Ausnahme und keinesfalls als Regelfall, sollten diese drei Parteien nun auch ihre Verantwortung annehmen und in die Regierungsbildung eintreten.
2. Der neue Bundestag sollte eine erfahrene, durch und durch demokratische und an dem Prinzip des gesellschaftlichen Miteinanders orientierte Partei als Führungskraft der Opposition erhalten. Diese gewichtige Rolle kann heute nur die SPD einnehmen. Opposition mag manchmal „Mist“ sein, wie ein führender Sozialdemokrat einmal gesagt hat. Manchmal ist es jedoch besser, über eine starke Opposition zu verfügen als über eine ungeliebte und sich in zähem Ringen arrangierende und dahinschleppende Regierung.
3. Die SPD mit ihrem unbeirrbaren Festhalten an Werten wie der sozialen Gerechtigkeit, des Friedens und der Solidarität ist für Deutschland unverzichtbar. Wenn die Partei in ihrem Wertehorizont nicht mehr klar und deutlich genug von Wählerinnen und Wählern wahrgenommen wird, dann ist dies Anlass genug, in der Rolle der größten Oppositionskraft an Profil und an Unverwechselbarkeit zurück zu gewinnen.
Die schwarz-gelb-grüne Mehrheit im Bundestag hätte nun die Gelegenheit, ihre eigene Agenda zu formulieren. Bei dieser Gelegenheit würde sich dann erweisen, wieviel politische Substanz denn hinter vielen Sprechblasen der vergangenen Monate tatsächlich steckt. Die SPD dagegen sollte die Möglichkeit nutzen, um eigene Positionen zu verdeutlichen, die Politik des Jamaika-Bündnisses dort zu kritisieren, wo es notwendig ist und eigene Lösungen zu präsentieren.
Ein modernes Deutschland kann sich auf Dauer kein schlichtes „Weiter so!“ leisten. Deswegen ist es nun Zeit für eine SPD, die sich aus den Zwängen der Großen Koalition befreit! Es ist Zeit für eine konsequente Opposition! Es ist Zeit für einen Neubeginn!